Aufbau der kurdischen Verben
Kurdische Verben unterscheiden sich: a) Nach ihrem Aufbau und b) Nach ihrer Funktion.
Nach ihrem Aufbau
Die Verben mit Endung „-andin“
Die Verben mit Endung „-andin“ können im Kontext als Passiv, als reflexiv oder auch gleich wie ursprüngliches Verb eine Bedeutung besitzen. Diese Verben sind Ableitungen von intransitiven Verben. Da die intransitiven Verben keine Objekte brauchen, verlangen ihre Ableitungen immer ein Objekt, da diese Verben transitiv sind.
- Xapîn (betrügen – intransitiv) → ez xapîm (ich war betrogen worden, man hat mich betrogen). Das Opfer ist das Subjekt selbst, das Geschehen passiert dem Subjekt → sowie: ich wurde betrogen.
- Xapandin (eine Ableitung von „xapîn“) → min (ew) xapand (ich habe (ihn) betrogen – hier: Opfer ist das Objekt.
- Firîn → ez difirim (ich fliege)
- Firandin → ez difirînim (ich lasse fliegen).
- Gerin → ez digerim (ich gehe spazieren)
- Gerandin → ez digerînim (ich führe, ich helfe jmd. Spazieren).
Diese abgeleiteten Verben mit Endung „-andin“ sind transitiv. Ez ê we li Vîyana bigerînim (ich werde euch in Wien führen, ich werde euch Wien zeigen)
- Me hesp dibezandin (wir haben die Pferde schnell rennen lassen, wir haben getan, dass die Pferde schneller rennen).
Das Subjekt einiger dieser Verben führen die Handlung mit einem unbekannten Objekt, welches im Verb versteckt ist, (logisches Objekt).
- Zewicîn (heiraten – intransitiv). Ez dizewicim (ich heirate), das Subjekt übernimmt hier die Handlung für sich selbst.
- Zewicandin (jmd. heiraten lassen – transitiv), ez dizewicînim (ich lasse, ich helfe, dass das versteckte Objekt heiratet). Hier kann das versteckte Objek „wê“, „wî“, „we“, … sein. Ez wî dizewicînim (ich lasse ihn heiraten).
Selbständige Verben (Vollverben)
Die selbstständigen Verben kommen allein im Satz vor und haben keine Suffixe oder Präfixe. Jîn (leben), kirin (machen), bûn (sein), çûn (gehen), firîn (fliegen), mirin (sterben), gerîn (spazieren gehen), hatin (kommen).
- Em li Amedê dijîn – jîn (wir leben in Amed).
- Em difirin – firîn (wir fliegen).
- Apê min hat – hatin (mein Onkel ist gekommen).
- Mêvan çûn – çûn (die Gäste sind gegangen).
Die Sätze mit selbständigen Verben sind vollständig, sie brauchen keine weiteren Informationen, solange diese nicht angefordert werden. Sie gelten auch als Vollverben und bilden mit Vor- oder Nachsilben die zusammengesetzten Verben.
Zusammengesetzten Verben
Werben wie: barkirin (fortziehen, umziehen), badan (drehen), çêkirin (bauen, zustande bringen), karkirin (arbeiten), sind zusammengesetzten Verben.
Die Vollverben verbinden sich mit einem anderen Verb, mit einem Adjektiv oder mit einer Präposition zusammen und bilden zusammengesetzten Verben, sie haben dann eine andere Bedeutung.
Jedes zusammengesetzte Verb hat ein Vollverb, das bei der Konjugation die Bildung der Zeitformen übernimmt (barkirin, çêkirin, badan, tevdan).
- Bar + kirin → barkirin (fortziehen, umsiedeln, übersiedeln).
- Çê + kirin → çêkirin (bauen, erstellen, erschaffen, machen).
- Ba + dan → badan (drehen, wickeln, rollen).
- Ber + dan → berdan (loslassen, freilassen, entlassen).
Die zusammengesetzten Verben sind trennbare Verben. Ausgenommen hebûn (haben, existieren). Ihre Konjugation basiert auf dem Vollverb. Die zeitbildende Partikel „-di“ oder „-bi“ schieben sich zwischen dem Präfix und dem Verbstamm des Vollverbs.
- Ez + bar + di + kim → ez bardi (ich zeihe fort).
- Wan + bar + di + kir. → wan bardikir (sie zogen um).
Die 3. Person Singular im Perfekt und im Plusquamperfekt haben keine Zeitbildende Partikel „di“. So kommen die Präfixe direkt vor dem Verbstamm.
- Perfekt: min barkir (kein Präfix zwischen „bar“ und „kir“).
- Plusquamperfekt: min barkiribu (kein Präfix zwischen „bar“ und „kir“).
Verneinung
In den Zeitformen des Präsens wird die Verneinungspartikel „na“ mit dem Partikel „di“ getauscht.
- Präsens: Ez bardikim → ez barnakim (ich ziehe fort → ich ziehe nicht fort).
- In der Zeitform des Präteritums, wird die Verneinungspartikel „ne“ mit dem Partikel „di“ getauscht.
- Min çêdikir→ min çênedikir (ich machte → ich machte nicht)
In den Zeitformen Perfekt und Plusquamperfekt kommt das Verneinungspartikel „ne“ zwischen dem Partikel und dem Verbstamm.
- Perfekt: Me barkir → me barnekir (wir sind fortgezogen → wir sind nicht fortgezogen).
- Plusquamperfekt: Me barkiribû → me barnekiribû (wir waren fortgezogen → wir waren nicht fortgezogen).
In der Zeitform Futur kommt das Verneinungspartikel „ne“ zwischen dem Partikel und dem Verbstamm
- Em ê barkin (wir werden fortziehen). Em (ê) barnekin (wir werden nicht fortziehen). Oft wird die Verneinung des Präsens anstatt der Verneinung von Futur em barnakin (wir ziehen nicht fort -Präsens).
Nach ihren Funktionen
Kurdische Verben haben im Satz verschiedene Aufgaben. Man kann sie in Gruppen aufteilen.
- Modalverben: xwestin (wollen), karîn (können), Mecburbûn (müssen), giringebûn (sollen), gerekbûn (sollen)
- Hilfsverben: bun (sein), hatin (kommen).
- Reflexivverben: xwe (sich).
- Besondere Verben: karîn (können), hebûn (haben, existieren).
Modalverben
Xwestin (wollen), karîn (können) sind Modalverben. Sie kommen als selbständiges Verb und auch als Modalverb vor.
Modelverben bilden im Satz mit einem anderen Verb das Prädikat. (ez dixwezim bifirim (ich will fliegen)
Modalverb kommt vor dem Hauptverb und verantwortlich für die Zeitformen. Min dixwest bifirim (ich wollte fliegen).
Das Hauptverb wird als zweite finite Verbform mit dem Bildungsstamm des Futurs personengetreu verwendet. Ez dikarim bêjim (ich kann sagen).
Modalverb Xwestin (wollen)
Xwestin – xwez – xwest (wollen). Xwestin ist sowohl ein selbständiges als auch ein Modalverb. Als Modalverb „xwestin“ ist zuständig für die Bildung der Zeitformen
- Ez dixwezim werim (ich will kommen). → Präsens
- Te dixwest werî (du wolltest kommen) → Präteritum
- Wî xwest were (er hat kommen wollen) → Perfekt.
- Wan xwestibûn werin (sie hatten kommen wollen). → Plusquamperfekt.
- Em ê bixwezin werin (wir werden kommen wollen). → Futur
Verneinung
Bei der Bildung des Präsens wird die Verneinungspartikel „-na“ mit dem Präsensbildungspartikel „di“ getauscht.
- Ez dixwezim werim (ich will kommen) → ez naxwezim werim (ich will nicht kommen).
Bei der Bildung des Präteritums kommt die Verneinungspartikel „ne“ vor dem Partikel „di“.
- Te dixwest werî (du wolltest kommen) → te nedixwest werî (du wolltest nicht kommen).
Bei der Bildung des Perfekts und Plusquamperfekts wird die Verneinungspartikel „ne“ vor dem Verbstamm gestellt.
- Wî xwest were (er hat kommen wollen) → wî nexwest were (er hat nicht kommen wollen).
Bei der Bildung des Futurs wird die Verneinungspartikel „ne“ mit dem Futur Bildungspartikel „bi“ getauscht.
- Ew ê bixwezin werin (sie werden kommen wollen) → (ewê nexwezin werin (sie werden nicht kommen wollen). Meistens wird die Verneinung bei der Zeitform des Futurs wie die Verneinung beim Präsens gebraucht. Ew naxwezin werin (sie wollen nicht kommen → Präsens).
Karîn (können)
Die Deklination des Modalverbs „karîn“ ist eine Ausnahme. Das Modalverb übernimmt die Zeitformen und das Hauptverb ist in der Form des Futurs als zweite finite Verbform personentreu gebraucht
Es wird in den Zeitformen Präsens, Plusquamperfekt (allerdings mit dem Partikel „di“ vor dem Verbstamm) und im Futur verwendet.
- Präsenz: Ez dikarim werim (ich kann kommen).
- Vergangenheitsformen: Min dikaribû werim (ich konnte kommen)
- Futur: Ez ê bikarim werim (ich werde kommen können).
Im Kontext kann deutlich werden, welche Zeitform verwendet wurde. Das bedeutet, dass das Verb „karîn“ für alle Zeitformen der Vergangenheit nur in einer Form vorkommen kann, obwohl es in allen Zeitformen konjugiert wird.
Verneinung
Das verb „karîn“ ist eine Ausnahme auch bei der Negation. Die Verneinung ist nicht wie bei allen Verben mit dem Partikel „ne“, sondern mit dem Partikel „ni“ gebildet.
- Ez dikarim (ich kann) → ez nikarim (ich kann nicht).
- Ez ê bikari(bi)m werim (ich werde kommen können) → ez ê nikari(bi)m werim (ich werde nicht kommen können).
- Şagirt dikare dîwarekî çêbike (der Lehrling kann eine Mauer bauen). Şagirt nikare dîwarekî çêbike (der Lehrling kann eine Mauer nicht bauen).
Mecburbûn (müssen)
Mecburbûn ist ein zusammengesetztes Verb. Und es gilt als Modalverb. Das Zusammengesetzte Verb (mecbur + bûn). Das Verb „bûn“ übernimmt die Konjugation. Das Wort „mecbur“ wird, wie ein Adverb gebraucht, „mecbur“ wird unverändert geführt.
- Ez mecbur im (ich muss).
- Tu mecbur î (du musst).
- Ew, ewa mecbur e (er, sie muss).
- Em mecbur in (wir müssen).
- Hun mecbur in (ihr müsst).
- Ew mecbur in (sie müssen).
In Gebrauch als Modalverb wird dabei das Hauptverb mit dem Verbstamm der Form des Futurs personaltreu gebraucht und die Zeitformen werden vom Verb „bûn“ übernommen.
- Ez mecbûr im birevim (ich muss laufen),
- Tu mecbûr î birevî (du musst laufen),
- Ew mecbûr e bireve (er muss laufen),
- Ewa mecbûr e bireve (sie muss laufen),
- Em mecbur in birevin (wir müssen laufen),
- Hun mecbur in birevin (ihr müsst laufen),
- Ew mecbur in birevin (sie müssen laufen).
Verneinung
Die Zeitformen und die Verneinung werden von „bun“ übernommen. Die Negation wird wie bei den Adverbien und Adjektiven mit dem Verb „bun“ geführt. Die Verneinung von „bûn“ ist im Präsens als („nîn“) gebraucht, z.B.
- Ez im (ich bin) → ez nînim (ich bin nicht).
- Ez kor nînîm (ich bin nicht blind).
Mecburbûn wird auch wie ein Adverb verneint.
- Ez mecbur im birevim→ ez mecbur nînim birevim.
Die Verneinung mit „ne“ wird auch oft verwendet, wenn aber die Verneinung dem Wort „mecbur“ gilt, z. B.:
- Ez nemecbur im (ich muss nicht),
- Ez nemecbur im werim (ich muss nicht kommen).
Giringebûn (sollen)
Giringebûn ist auch ein zusammengesetztes Verb. Giringe + bûn → gringebûn. Das Wort „gringe“ wird mit dem Personalendungen von „bûn“ in der Form des 3. Person Singular wie ein Adverb verwendet und kommt im Satz vor dem Subjekt vor. Das Hauptverb wird in der Form des Futurs und personentreu gebraucht.
- Giringe ye ez werim (ich soll kommen),
- Giringe ye tu bidî (du sollst geben),
- Giringe ye ew bipirse (er soll fragen),
- Giringe ye ewa here (sie soll gehen),
- Giringe ye em bêjin (wir sollen sagen),
- Giringe ye hun birevin (ihr sollt laufen),
- Giringe ye ew çêbikin (sie sollen bauen, machen).
Die Zeitformen werden von „bûn“ übernommen.
- Giringe dibû em werin (wir sollten kommen)
- Giringe bû hun herin (ihr habt gehen sollen)
- Giringe bûbû ew bifire (er hatte fliegen sollen).
Verneinung
Bei der Verneinung kann auch das Verneinungspartikel „nîn“ angewendet werden. Giringe nîne ez werim (ich soll nicht kommen).
Wenn die Verneinung dem Wort „giringe“ oder „gerekbun“ gilt, wird das Partikel „ne“ dem „giringe“ angehänt, wenn aber die Verneinung dem Verb „bûn“ gilt, wird das Partikel „nîn“ verwendet
Beide Formen der Verneinung werden gleichgültig verwendet. Beide Formen sind bedeutungsmäßig identisch.
- Girînge ye ew were (er soll kommen) → Giringe nîne ew were (er soll nicht kommen).
Girînge ye ew were (er soll kommen) → negiringe ye ew were (er soll nicht kommen / er braucht nicht kommen.
Gerekbûn (sollen)
Gerekbûn ist identisch wie giringebûn. Beide Verben werden gleich konjugiert und gleichbedeutend angeführt. Die beiden Formen werden in verschiedenen Orten gleichwertig gebraucht.